Strittige Szenen am 36. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 2:1 für Würzburg, das 1:0 für Dresden und die Foulspiele von Gäng an Niemeyer (Magdeburg) sowie von Starostzik an Osawe (Halle): Am 36. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de vier Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Nejmeddin Daghfous (Würzburger Kickers) legt nach einer Hereingabe auf Royal-Dominique Fennell ab, welcher zum 2:1 für Würzburg trifft. Cottbus reklamiert Abseits, Schiedsrichter Patrick Ittrich gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Hier stand der Assistent entweder nicht auf der richtigen Position bzw. Höhe oder hat komplett einen Wahrnehmungsfehler. Bei diesen Aktionen, bei denen nur Angreifer vor dem Tor und nicht die erforderlichen zwei Verteidiger näher zu ihrer eigenen Torlinie stehen, ist es entscheidend, ob der Angreifer, der angespielt wird, zum Zeitpunkt des Abspiels vor oder hinter dem Ball steht. Beim Kopfballzuspiel steht Fennell vor dem Ball und somit im Abseits. Das Tor hätte nicht zählen dürfen, daher liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 2: Michael Hefele köpft nach einer Hereingabe aus dem Halbfeld zum 1:0 für Dynamo ein, schob zuvor allerdings Gegenspieler Steve Breitkreuz (Erzgebirge Aue) mit beiden Armen zur Seite. Die Auer beschweren sich nicht, Schiedsrichter Markus Schmidt gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Kurz bevor die Flanke in den Strafraum kommt, stößt Hefele seinen Gegenspieler Breitkreuz deutlich mit beiden Händen in den Rücken und hat dadurch den Freiraum, um den Ball ungehindert ins Tor zu köpfen. Der Schiedsrichter könnte seinen Blick zum Zeitpunkt der Flanke noch auf den ballführenden Spieler gerichtet und daher den klaren Schubser übersehen haben. Hier hätte es Freistoß für Aue geben müssen, zudem hätte das Tor hätte nicht zählen dürfen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Bemerkenswert und äußerst fair, dass der gefoulte Spieler überhaupt nicht protestiert.

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Szene 3: Nach einem langen Ball in Richtung Strafraum kommt Großaspach-Keeper Christopher Gäng aus dem Tor und räumt Michel Niemeyer (Magdeburg) mit einer Grätsche ab. Dieser befördert den Ball zwar dennoch ins Tor, Gäng kommt bei Schiedsrichter Thorben Siewer aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]

Babak Rafati: Beim langen Ball in die Spitze unterschätzt der Schiedsrichter diesen Angriff und läuft gemächlich im Mittelfeld weiter, anstatt schneller zum Sprint anzusetzen, um sich in eine günstige Position zu bringen, um dann den bösen Tritt von Gäng gegen Niemeyer sehen zu können. Nachdem Niemeyer den Ball über den Torhüter ins Tor lupft, kommt Gäng in voller Geschwindigkeit, mit ausgestrecktem Bein und offener Sohle angerauscht, trifft Niemeyer auf Kniehöhe und räumt ihn somit komplett ab. Das ist eine brutale Spielweise und gefährdet die Gesundheit des Gegenspielers sehr stark. Da der Schiedsrichter zu weit weg steht, wird er diesen Tritt wahrscheinlich nicht in seiner vollständigen Intensität gesehen haben.

Bei groben/brutalen Foulspiels gibt man normalerweise keinen Vorteil, es sei denn im Anschluss an die Szene ergibt sich eine klare Torchance. Der Schiedsrichter hätte dem Torwart nach der Torerzielung zwingend die Rote Karte zeigen müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Wie fast immer zeigt sich, dass das optimale Stellungsspiel und kluge Laufwege die häufigsten Ursachen für richtige Wahrnehmungen sind und bei Nichteinhaltung dieses Positionsspiels die Folge Fehlentscheidungen sind.

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Szene 4: Henrik Starostzik (Stuttgarter Kickers) bringt HFC-Stürmer Osayamen Osawe in einem Laufduell zu Fall. Schiedsrichter Christof Günsch zeigt nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 4:25]

Babak Rafati: Bei diesem langen Ball nach vorne ist es für den Schiedsrichter zunächst einmal schwierig "hinterher zu kommen." Zum Zeitpunkt des Foulspiels ist er relativ weit weg vom Tatort und somit ist es schon mal schwierig, überhaupt einen Kontakt wahrzunehmen. Zudem kann er im Falle eines Foulspiels von hinten nicht einschätzen, wie weit der Angreifer vom Tor entfernt ist und ob somit eine klare Torchance vorliegt. Dabei kann er gleichzeitig die Position des zweiten Verteidigers nicht einschätzen. Das alles ist dem langen Ball geschuldet, wofür der Schiedsrichter nichts kann.

Damit wird die Hilfe des Assistenten unbedingt abverlangt, was hier auch prima geleistet wird. Vermutlich wird der Assistent in dieser Szene geholfen haben, um zur richtigen Entscheidungsfindung zu kommen. Der Angreifer ist auf halbrechter Position gelaufen und ein zweiter Verteidiger war in seiner unmittelbaren Nähe, sodass hier nicht von einer Notbremse bzw. vom letzten Mann gesprochen werden kann. Vollkommen richtig, hier nur die gelbe Karte zu zeigen.

   
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