Strittige Szenen am 12. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 12. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.

Szene 1: Dennis Erdmann (Hansa Rostock) hält bei Justin Eilers (Dynamo Dresden) drüber, sodass dieser im Strafraum zu Boden geht. Schiedsrichter Günter Perl lässt die Partie ohne Elfmeter-Pfiff weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]

Babak Rafati: Eilers schießt im gegnerischen Strafraum auf das Tor von Rostock. Unmittelbar danach trifft Erdmann diesem mit offener Sohle auf den Fuß, dadurch kommt der Angreifer zu Fall. Für den Schiedsrichter ist eine derartige Szene sehr schwierig zu sehen, zumal der Angreifer die Aktion durch den Torschuss bereits beendet hat. Wenn man die Fernsehbilder sieht, kommt man zu der Erkenntnis, dass es hier Strafstoß hätte geben müssen, denn ob die Aktion abgeschlossen oder nicht abgeschlossen ist, ist hierbei nicht entscheidend, lediglich das Vergehen ist relevant. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

Szene 2: Julius Perstaller (Hansa Rostock) kommt nach einem Zweikampf mit Giuliano Modica (Dynamo Dresden) im Strafraum zu Fall – kein Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 6:00]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Dresdner Strafraum drückt Modica seinen Gegenspieler von Rostock (Perstaller) mit dem Arm in den Rücken, sodass dieser anschließend zu Fall kommt. Dieser Armeinsatz ist fußballtypisch und sollte einen Angreifer eigentlich nicht aus dem Tritt bringen. Fußball ist ein körperbetontes Spiel, sodass es völlig richtig ist in dieser Szene weiterspielen zu lassen, sonst hätten wir in jedem Spiel zig Strafstöße.

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Szene 3: Jannis Nikolaou (Rot-Weiß Erfurt) bringt Anton Fink (Chemnitzer FC) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Thorsten Schriever gibt Strafstoß für den CFC. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Erfurt läuft Nikolaou dem Chemnitzer Angreifer Fink hinterher und stellt sich dabei sehr ungeschickt an. Dabei wird sowohl unten als auch oben der Angreifer "bearbeitet" und am Weiterlaufen gehindert. Die gesamte Aktion des Verteidigers ist nur gegen seinen Gegenspieler gerichtet – der Ball ist dabei überhaupt nicht das Ziel. Der anschließende Strafstoß und die Verwarnung sind somit absolut berechtigt. 

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Szene 4: Michael Klauß (VfR Aalen) sieht nach einem Zweikampf mit Amaury Bischoff (Preußen Münster) von Schiedsrichter Florian Heft Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:45]

Babak Rafati: Nach einem korrekten Zweikampf kommt Bischoff zu Fall. Sein Aalener Gegenspieler will an ihm vorbei und holt kurz und ansatzlos mit seinem Knie aus und trifft diesen am Boden mit dem Knie in den Oberkörper, was völlig unnötig ist. Stark, dass der Schiedsrichter instinktiv diesen Vorgang beobachtet und den gesamten Ablauf wahrnimmt, obwohl sich das Spielgeschehen hinter ihm in die andere Richtung verlagert. Stark auch die Verständigung mit seinen Assistenten über das Headset, um gemeinsam unter Zuhilfenahme von mehreren Betrachtungswinkeln eine richtige Entscheidung zu treffen. Ein Riesenkompliment für das richtige Gespür, auf dieser Szene zu bleiben, um dann auch noch die Übersicht zu behalten und in Ruhe nach Absprache die Rote Karte auszusprechen. Somit hat der Schiedsrichter das Heft in der Hand und macht seinem Namen alle Ehre.

Szene 5: Benjamin Schwarz (Preußen Münster) sieht nach einer Rudelbildung ebenfalls Rot. [TV-Bilder – ab Minute 5:40]

Babak Rafati: Bei einer Rudelbildung ist es für den Schiedsrichter überaus schwierig, alle Vorgänge zu erfassen. Selbst für den Fernsehzuschauer, der mehrere Zeitlupen zur Verfügung hat, ist nicht alles einfangbar und aufzulösen. Aber in dieser Szene verdient sich das Gespann wieder ein Kompliment. Der Torwart von Aalen geht dazwischen, will schlichten und bedrängt dabei den Spieler Schwarz von Münster. Dieser wiederum fasst dem Torhüter ins Gesicht. Das ist zwar kein Schlagen, dennoch ist die Rote Karte völlig richtig, da eine grobe Unsportlichkeit vorliegt. Man sieht auch, wie der Assistent mit der Hand vor dem Mund dem Schiedsrichter über das Headset etwas mitteilt und ihm wahrscheinlich den Vorgang nach seiner Wahrnehmung schildert. Eine klasse Teamleistung!

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Szene 6: Nach einem Zweikampf von Marc Wachs (Mainz II) und Ousman Manneh (Bremen II) pfeift Schiedsrichter Johannes Huber Elfmeter für Bremen. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Anhand der vorliegenden Fernsehbilder ist es schwierig zu beurteilen, ob Wachs seinen Gegenspieler Manneh im Mainzer Strafraum trifft. Ich kann dem Kommentator folgen, der von einer umstrittenen Entscheidung spricht, aber ob eine Fehlentscheidung oder eine richtige Entscheidung vorliegt lässt sich hier nicht endgültig auflösen.

 

 

   
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