Riem Hussein im Interview: "Eine Ehre, in der 3. Liga zu pfeifen"

Mit Dr. Riem Hussein wird in der kommenden Saison neben Bibiana Steinhaus eine zweite Schiedsrichterin in der 3. Liga aktiv sein. Die 34-jährige Apothekerin aus Bad Harzburg (Niedersachsen) ist seit 2005 DFB-Schiedsrichterin und steht seit 2009 auf der Liste der FIFA. Nachdem sie zunächst Spiele in der ersten und zweiten Frauen-Bundesliga pfiff, leitete sie seit 2008 auch 68 Spiele in der Regionalliga im Männer-Bereich. Bereits vor fünf Jahren pfiff sie zudem das DFB-Pokalfinale der Frauen, 2012/13 wurde sie zur Schiedsrichterin des Jahres gewählt. Im Interview mit liga3-online.de spricht Riem Hussein über die Beförderung, die Unterschiede zwischen Frauen- und Männer-Fußball und wie sie sich in der 3. Liga vor großen Kulissen und bei 22 Männern auf dem Platz behaupten will.

liga3-online.de: Hallo Frau Hussein. Nach Bibiana Steinhaus sind Sie die zweite Schiedsrichterin im deutschen Profi-Fußball. Wie haben Sie die Beförderung des DFB aufgenommen?

Dr. Riem Hussein: Ich war sehr überrascht und konnte es auch erst gar nicht fassen. Ich hätte wirklich alles gedacht – aber nicht, dass ich eine Kandidatin sein könnte. In der 3. Liga pfeifen zu dürfen, ist eine große Ehre für mich.

Apothekerin und Schiedsrichterin! Eine spannende Kombination.

(lacht) Ja, das stimmt.

Was hat den Ausschlag gegeben, Schiedsrichterin zu werden? Wie dürfen wir uns Ihre bisherige Karriere vorstellen?

Ich habe schon als Kind Fußball gespielt, damals mit Jungs. Vor vielen Jahren war ich bei einem Jugendspiel von meinem jüngeren Bruder. Der eigentlich dafür vorgesehene Schiedsrichter kam dann aber nicht, sodass man mich gefragt hatte, ob ich diese Aufgabe übernehmen könnte. Ich habe das dann, obwohl ich eigentlich keinen Schein hatte, einfach mal gemacht und das Spiel dann nach bestem Wissen und Gewissen geleitet.

Es hat Spaß gemacht, jedoch hat es dann noch ein paar Jahre gedauert, bis ich mich für den Schiedsrichter-Lehrgang angemeldet habe. 2001, als ich parallel für Wolfenbüttel noch selbst als Spielerin aktiv war, ging es los. In dieser Zeit wurde ich den Schiedsrichtern gegenüber immer kritischer. Ich habe mir dann überlegt, dass wenn ich schon meckere, ich auch selbst als Schiedsrichterin aktiv werden muss. Das war der Antrieb.

Sie haben als Schiedsrichterin sowohl im Frauen- als auch im Männer-Bereich gepfiffen. Welche Unterschiede gibt es zwischen der Frauen-Bundesliga und der Männer-Regionalliga?

Im Männer-Bereich ist das Tempo viel höher, zudem hat man mehr Entscheidungen über einen kürzeren Zeitraum zu treffen. Ein großer Unterschied ist auch die Emotionalität auf dem Platz, wobei es nicht immer so sein muss, dass es bei den Männern emotionaler zugeht. Es ist nicht unbedingt gesagt, dass mehr gemeckert wird. Insgesamt nähern sich die Frauen den Männern im Hinblick auf das Spieltempo aber immer mehr an. Das Spiel ist bei den Frauen zuletzt schon schneller geworden.

Was meinen Sie: Fällt es Ihren männlichen Kollegen – auch aufgrund ihrer Statur – leichter, sich auf dem Platz zu behaupten?

Das kann ich nicht beurteilen, ich bin ja kein Mann. Ich weiß auch nicht, ob mir meine Statur schon mal Nachteile bereitet hat. Wichtig ist nur, dass man den Spielern vermitteln kann, dass man über den nötigen Sachverstand verfügt. Wenn man jahrelang höherklassig selbst als Spielerin aktiv war, entwickelt man diesen eigentlich automatisch. Ich denke, das ist mehr wert, als groß oder klein zu sein.

Wie wichtig ist es gerade als Frau, sich bei 22 Männern auf dem Platz Gehör und Anerkennung zu verschaffen?

Wichtig ist vor allem der Umgang, auch schon vor dem Spiel. Zudem zeigt man mit seiner Spielleitung, ob man durchsetzungsfähig ist oder nicht – da spielt dann die Körpergroße keine Rolle. Vielleicht ist es einfacher, wenn man zwei Meter groß ist, aber wenn diese Person dann zahlreiche falsche Entscheidungen trifft, nützt ihm die Größe auch nichts mehr – mir aber im Umkehrschluss natürlich auch nicht (lacht).

Es wird für Sie sicherlich etwas Besonderes sein, wenn Sie künftig in der 3. Liga vor 10.000 oder gar 30.000 Zuschauern auflaufen. Ist man vor solchen Spielen dann nervöser?

Man ist natürlich aufgeregt, das ist ganz klar. Aber ich freue mich darauf, vor so einem Publikum auftreten zu dürfen. Ich habe zum Glück schon einige Male vor größerer Kulisse pfeifen dürfen. 5.000 Fans die Lärm machen in Potsdam sind dann zum Teil schon etwas anderes, als 1.000 Zuschauer in der Männer-Regionalliga.

Natürlich wird es für mich schon ein Unterscheid sein, in der 3. Liga zu pfeifen – gerade auch was die Medienpräsenz angeht.

Würden Sie sich wünschen, dass künftig noch mehr weibliche Schiedsrichter den Weg nach oben schaffen?

Auf jeden Fall. Dass Bibiana Steinhaus schon seit Jahren in der Spitze aktiv ist, zeigt ja, was möglich ist. Dass ich sogar erst mit 34 Jahren in diesen Bereich nachgerückt bin, sollte für alle Frauen eine Motivation sein, weiter hart an sich zu arbeiten.

Woran liegt es dann, dass mit Ihnen erst zwei weibliche Schiedsrichter im Profi-Fußball pfeifen? Ist die Berührungsangst bei vielen Frauen noch zu groß?

Ja, das kann schon sein. Ich kann nicht genau sagen, ob der Schiedsrichter-Job eher eine Männersache ist. Aber Fußball wird in der Mehrzahl von Männern gespielt, sodass auch mehr Männer Schiedsrichter werden als Frauen. Ich hoffe aber, dass es noch mehr Schiedsrichterinnen werden.

Wie geht man als Schiedsrichter damit um, wenn man sich bereits während des Spiels bewusst ist, eine grobe Fehlentscheidung getroffen zu haben, die im Saisonendspurt eventuell sogar Auswirkungen auf den Auf- oder Abstiegskampf haben könnten?

Das möchte ich mir gar nicht ausmalen und möchte auch gar nicht so negativ an die Sache herangehen. Es ist bei jedem Spiel wichtig, dass man sich gut darauf vorbereitet und sich im Team abspricht. Es macht aber jetzt keinen Sinn, sich zu überlegen, was passiert wenn. Ich hoffe aber, dass dieser Tag nicht kommt.

Das hoffen wir natürlich auch.

(lacht) Danke.

 

 

 

 

   
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