Peter Vollmann im Interview: "Wir gehen einen speziellen Weg"

Nach dem Abstieg des VfR Aalen war lange unklar, wie die Mannschaft zur neuen Saison aussehen und wer als Trainer an der Seitenlinie stehen würde. Erst knapp einen Monat nach dem besiegelten Abstieg konnten die Schwarz-Weißen Mitte Juni mit Peter Vollmann einen neuen Cheftrainer vorstellen. Der 57-Jährige, der zuletzt den F.C. Hansa Rostock trainierte, stand dabei vor einer großen Herausforderung: Rund sechs Wochen vor dem Saisonstart standen nur vier Spieler unter Vertrag, viele Leistungsträger waren zu diesem Zeitpunkt bereits weg. Im Interview mit liga3-online.de spricht Vollmann über die Kaderplanungen und erklärt, warum ihn die Aufgabe beim VfR reizt.

liga3-online.de: Herr Vollmann, wie haben Sie das halbe Jahr Pause seit Ihrer Entlassung bei Hansa Rostock im Dezember genutzt?

Peter Vollmann: Ich war eine Zeit lang in Südafrika und habe mir dort Mannschaften angeschaut, mein Netzwerk erweitert. Ich habe mein Wissen über andere Methoden erweitert. Sich weiterzubilden gehört zu den Hausaufgaben, die man machen muss, wenn man keinen Verein trainiert, damit man nicht einrostet. Unter anderem war ich in Kapstadt, in Johannesburg bei den Kaizer Chiefs. Zudem stand ich in engem Kontakt mit Ernst Middendorp, den ich ja schon seit 20 Jahren kenne. Es ging darum, andere Märkte kennenzulernen.

Jetzt übernehmen Sie den Zweitliga-Absteiger VfR Aalen  und treten die Nachfolge von Stefan Ruthenbeck an, der nach Fürth gewechselt ist. Ihr Vertrag läuft allerdings zunächst nur für die Saison 2015/16. Warum?

Zum einen kann man es ganz salopp formulieren: Andere Kollegen wären froh, einen Vertrag über ein Jahr zu haben. Außerdem: Wenn Sie sich meine früheren Stationen anschauen, waren meine Verträge auch dort immer auf ein Jahr begrenzt. Ich bin auch kein Freund von Optionen. Die Länge des Vertrages ist nicht entscheidend, sondern der sportliche Erfolg. Wenn der da ist, kommt der Rest von alleine. Wir haben auch über längere Laufzeiten gesprochen, aber letztlich waren alle mit diesem Modell einverstanden. Mit der Intensität, mit der ich die Arbeit angehe, hat das aber nichts zu tun.

Durch wen kam der Kontakt  zum VfR zustande?

Der Präsident, Herr Scholz, und Markus Thiele haben mich kontaktiert. Anschließend haben wir uns zusammengesetzt und gute Gespräche geführt.

Der VfR erhielt die Drittliga-Lizenz quasi in letzter Sekunde, beim Trainingsauftakt am Montag konnten Sie lediglich 14 Spieler begrüßen. Einfaches Arbeiten sieht anders aus. Was reizt Sie dennoch an der Aufgabe in Aalen?

Genau das. Ich möchte die schwierige Situation in eine positive umwandeln. Das habe ich ja auch schon bei anderen Klubs geschafft. Das ist eine Riesenherausforderung, die ich gerne annehme. Ich freue mich darauf, mit der Mannschaft zu arbeiten.

Andreas Ludwig, Dominick Drexler und Kapitän Leandro Grech: Sie alle waren Stammkräfte der letzten Saison. Besteht noch Hoffnung, dass sie bleiben?

Die Spieler Drexler und Grech hatten Angebote, die sie nicht angenommen haben. Da müssen Verein und Trainer sich dann auch um einen Plan B kümmern. Ich habe bei Personalien lieber ein „Nein“ und somit Klarheit, als dass man auf die Spieler beziehungsweise ihre Entscheidung warten muss. Keiner der drei hat sich etwas zu Schulden kommen lassen, aber wenn der Spieler sportlich andere Wege sucht oder er  unerfüllbare wirtschaftliche Vorstellungen hat, müssen wir uns auf dem Markt nach anderen Akteuren umsehen. Andreas Ludwig hat das Ziel, in der zweiten Liga zu bleiben. Das ist ein seriöses Ziel, und dabei wünsche ich ihm alles Gute. Ich betone noch einmal: Kein Spieler hat sich etwas zu Schulden kommen lassen.

Derzeit sind bei Ihnen drei Probespieler im Training: Nemanja Asanovic (24, Sturm), Ognjen Jeftenic (21, Abwehr) und Ognjen Skoric (22, Offensive). Wie schlagen Sie sich und können sie die Mannschaft auf Anhieb verstärken?

Die drei werden noch über das Wochenende hier sein und bis Sonntag mittrainieren. Wir werden dann wohl am Montag eine Entscheidung fällen und schauen, ob uns jemand sportlich weiterhelfen kann. Zudem muss eine Verpflichtung wirtschaftlich realisierbar sein. Auch die Bereitschaft der Spieler, unseren speziellen Weg mitzugehen, muss vorhanden sein.

Die Zeit drängt: In vier Wochen beginnt bereits die Saison, während noch rund ein Drittel der Kaderbesetzung unklar ist. Das erschwert sowohl die Vorbereitung als auch die Hierarchiebildung im Team. Haben Sie Angst vor einem Fehlstart in die neue Spielzeit?

Nein, wenn ich als Trainer die Angst vor einem Fehlstart hätte, dann würde er auch eintreffen. Keiner meiner Kollegen rechnet damit, trotzdem wird es welche geben. Umgekehrt wird es immer Überraschungsteams geben, die unerwartet großen Erfolg haben und die selbst nicht damit rechnen. Manchmal entscheiden auch kleine Augenblicke über den weiteren Saisonverlauf. Dass wir noch keinen kompletten Kader aufweisen können, gehört zu den Unebenheiten, mit denen wir leben müssen. Wir können es nicht weg reden, wollen aber auch nicht jammern. Wir haben mit jedem Spieler gesprochen, alle wissen um unsere Lage. Wir wollen uns an die Dritte Liga gewöhnen und konkurrenzfähig werden. Außerdem: Ein Team kann auch am 01.07. bereits vollständig zusammen sein, ohne dass sich am Ende einer Saison ein „echtes“ Team gebildet hat. Es kommt auf die Charaktere an. Es gibt keine Garantie für  ein erfolgreiches Team Building. Ich bin aber optimistisch, dass wir das gestemmt kriegen.

Auf welchen Positionen herrscht noch akuter Handlungsbedarf?

Alle Vereine versuchen, sich im Offensivbereich zu verbessern. Das ist auch bei uns so. Wir benötigen Verstärkungen auf den offensiven Außenbahnen und im offensiven Mittelfeld.  Auch im Sturm brauchen wir noch eine Alternative. In der Defensive sieht es bereits ganz gut aus. Wir werden die Dinge in Ruhe angehen. Wir werden mit 18 oder 19 Feldspielern plus drei Torhütern in die Saison gehen. Unser Etat liegt unter 2, 5 Millionen Euro. Mehr geht da nicht. Es wird eine extrem schwierige Saison. Jeder weiß aber um die Situation, und wir nehmen sie so an, wie sie ist. Wenn sich Spieler verletzen, kann es sein, dass wir nicht immer mit einem kompletten 18er-Kader antreten können. Damit müssen wir rechnen.

Wie sieht es bei der langjährigen Sturmspitze Robert Lechleiter aus? In der vergangenen Spielzeit konnte der mittlerweile 34-Jährige kein Spiel für Aalen bestreiten. Einem Kreuzbandriss im Mai 2014 folgte zu Beginn dieses Jahres ein Knorpelschaden. Viele Fans wollen ihn unbedingt weiter als Identifikationsfigur beim VfR sehen.

Robert hat mehr oder weniger seine Karriere beendet. Es wird möglicherweise in Erwägung gezogen, ihn weiterhin im Klub einzubinden, aber das müssen die Verantwortlichen regeln, das wird erst einmal vereinsintern besprochen.

Welches spielerische Konzept wollen Sie der Mannschaft vermitteln? Worauf können sich die Fans einstellen?

Wenn es um Spielsysteme geht, geht es trotzdem um die Menschen im System. Klar ist: Wir können keinen Hurra-Fußball spielen, sondern wollen uns auf allen Ebenen stabilisieren. Angesichts unserer Kadersituation wäre es nicht seriös, hier Aussagen zu treffen. Jeder will offensiven, attraktiven Fußball spielen. Das hängt aber letztlich auch von der Stärke der Liga und des jeweiligen Gegners ab.

Kürzlich hat der Klub ein Konzept zur Neuausrichtung unter dem Motto „ WIR auf der Ostalb! Immer weiter nach vorn – VfR 2021!“ vorgestellt. Als Ziele für die neue Saison sind die Vermeidung von Neuverschuldung und die Verbesserung der klubinternen Abläufe genannt. Eine sportliche Zielsetzung fehlt hingegen. Welche realistischen Möglichkeiten sehen Sie – auch angesichts des noch dürftigen Kaders- in diesem Jahr, was die Platzierung angeht?

Unsere oberste Priorität ist es, die Klasse zu halten, und das werden wir von Anfang an ins Visier nehmen.

 

   
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